Jugendbilungsreise nach Berlin

Ein Bericht des Dekanats St. Wendel

Insgesamt 16 Jugendliche und zwei Beteuer*innen aus dem Landkreis Sankt Wendel machten sich vom 24. Bis zum 29. Oktober 2022 zu einer Jugendbildungsreise auf nach Berlin. Bevor die Fahrt startete, wurden bei zwei Vorbereitungstreffen intensiv die Programminhalte und -gestaltung mit den Jugendlichen selbst erarbeitet. Drei Themenfelder prägten dabei die Überlegungen: Berlin während der NS Zeit, das geteilte Berlin und das politische System der DDR, das politische Berlin damals und heute.

In Berlin angekommen, wohnten wir in unmittelbarer Nähe zum Checkpoint Charlie. Dort wurde bei einem ersten Stadtrundgang am Montagabend sehr schnell deutlich, dass die Alliierten nicht nur Deutschland insgesamt, sondern auch die ehemalige Hauptstadt Berlin in vier Besatzungszonen aufteilten und dass schließlich aus der sowjetischen Besatzungszone 1949 ein eigener Staat begründet wurde, die DDR. Zur Vorbereitung des nächsten Tages hatten sich die Jugendlichen bereits in der Vorbereitung mit der DDR als sozialistischer Diktatur auseinandergesetzt. Durch den Besuch in der Kulturbrauerei und der Führung, die nochmal den Schwerpunkt auf das Alltagsleben der Menschen in der damaligen DDR legte, wurde dieses Wissen vertieft. Die Ausstellung zeigt das Leben der Ostdeutschen in den 1970er und 1980er Jahren im Betrieb, in der Öffentlichkeit und im Privaten. Sie zeigt, wie das SED-Regime den Alltag prägt, wie die Menschen mit Mangel und Grenzen umgehen und wo sie Freiräume finden.

Am Nachmittag wurde durch den Besuch in der Bernauer Straße deutlich, wie das Leben in der BRD und der DDR nebeneinander funktionierte, bis schließlich 1961 der Bau einer Mauer die Stadt radikal teilte. Die Jugendlichen erhielten ein Verständnis davon, warum v.a. die jüngeren Bewohner die DDR verlassen wollten, erfuhren vom Volksaufstand in der DDR von 1953 und erlebten am originalgetreuen Aufbau der Grenzanlage, wie gefährlich ein Fluchtversuch war und wie viele Opfer es durch Fluchtversuche tatsächlich gab.

Das Themenfeld wurde durch den Besuch im ehemaligen Stasi Gefängnis Hohen-Schönhausen vertieft, in dem uns ein ehemals Inhaftierter als Zeitzeuge die Umstände seiner Haft erzählte. Nicht selten kämpften wir alle mit den Tränen angesichts des Leids, das dieser damals 17-jährige junge Mann während seiner dreijährigen Haft erlebte und was man ihm und seiner Familie angetan hatte. So wurden wir bestärkt, uns für Zivilcourage, für Menschenrechte und für Recht und Gerechtigkeit einzusetzen.

Am Donnerstag lag der Schwerpunkt auf dem Thema „politisches Berlin“. Bei einer Führung zum Thema Street Art erlebten die Jugendlichen in Berlin Kreuzberg, wie sehr auch Kunst eine politische Dimension hat. Die Graffiti Künstler*innen machen durch ihre Kunst im öffentlichen Raum auf Missstände in der Gesellschaft aufmerksam und kämpfen für ihren Stadtteil, für bezahlbaren Wohnraum und für die Erhaltung von Kultur im ehemaligen Bahninstandsetzungswerk gegen Investoren, die sich im sogenannten Mercedes Benz Quartier einkaufen, wo zurzeit ein riesiger Amazon Tower gebaut wird. Die Jugendlichen wurden so auch für die Probleme des Kapitalismus und des Konsums sensibilisiert. Die Beispiele machen deutlich, wie sehr Politik herausgefordert ist, Konzepte einer nachhaltigen und sozial verträglichen Stadtentwicklung zu erarbeiten und umzusetzen.

Am Nachmittag bekamen wir eine Stadtführung im politischen Viertel von Berlin und thematisierten anhand der Orte Reichstag/Bundestag, Kanzleramt, Abgeordnetenhäuser, Bundesrat, Ministergärten das politische System in Deutschland. Die Jugendlichen hatten sich im Vorfeld mit dem demokratischen System in Deutschland, der Gewaltenteilung und dem Parteiensystem auseinandergesetzt.

Am Freitagmorgen konnten wir dann den Bundestag von innen besichtigen und bekamen eine Führung von der Zuschauertribüne des Plenarsaals. Die Jugendlichen konnten viele Fragen stellen zur Sitzverteilung und zur Sitzungsordnung und –ablauf und dem Arbeiten in Ausschüssen im Bundestag. Im anschließenden Gespräch mit dem Wahlkreisbüro von Nadine Schön schilderte uns ein Mitarbeiter den Arbeitsalltag während einer Sitzungswoche und die Aufgaben einer Bundestagsabgeordneten. Die Jugendlichen stellten sehr viele Fragen zu politischen Themen und zu Problemen, die sie als Jugendliche betreffen. Ganz oben standen die Frage nach dem Wahlrecht ab 16 Jahren, die Antwort auf die Frage der Klimakrise, die Auswirkungen von Corona und die Entwicklung der Gesellschaft, die offensichtlich immer weniger Vertrauen in die Demokratie besitzt.

Das Thema Berlin in der Zeit der NS Diktatur wurde deutlich durch den Besuch des Holocaust-Mahnmals am Nachmittag. Hier konnten die Jugendlichen ihre eigenen Gefühle und Gedanken zum Ausdruck bringen, die durch die Begehung des Mahnmals und die Hintergrundinformationen zum Holocaust entstanden.

Am letzten Tag unserer Reise beschäftigten wir uns mit dem Widerstand gegen das NS Regime. Hier wurde deutlich, dass es sehr vielfältige Formen von Widerstand gab, der aber durch alle gesellschaftlichen Schichten ging. Am Beispiel von Georg Elser, der leider in Geschichtsbüchern selten Erwähnung findet, wurde den Jugendlichen erörtert, wie sehr sich ein einzelner Mensch für den Widerstand entscheidet. Anhand von Stauffenbergs Attentat, der Blindenwerkstatt von Otto Weidt und der Flugblattaktion der Weißen Rose wurden weitere Beispiele vorgestellt, warum sich jemand oder eine Gruppe für den Widerstand entscheidet. Der Abschluss bildete die Betrachtung der Skulptur eines Widerständlers, des nackt und gefesselt im Innenhof des Gebäudes steht.

Insgesamt konnten wir anhand der historischen Orte in Berlin die Geschichte der BRD und der DDR „hautnah“ erleben und sind im Bewusstsein gestärkt, dass es gut ist, in einem demokratischen Land zu leben, in der die Würde und Freiheit des Menschen geachtet wird. Durch die eindrücklichen Begegnungen mit beispielhaften Menschen, die sich gegen die NS- oder sozialistische Diktatur entschieden wandten, wurde deutlich, dass es immer wieder wichtig ist, sich für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen und sich gegen Hetze und Populismus entschieden zu wehren.