„Demokratien sterben nicht nur im Kugelhagel“, ist Peter Müller überzeugt, „sie sterben auch an den Wahlurnen.“ Mit diesen Worten leitet der ehemalige saarländische Ministerpräsident und einstige Richter am Bundesverfassungsgericht seinen Vortrag im St. Wendeler Gymnasium Wendalinum ein. Sein Vortragstitel: Zwischen Populismus und Verdrossenheit – Demokratie in der Bewährung, eine Veranstaltung der Partnerschaft für Demokratie Landkreis Sankt Wendel. Vor rund 100 Gästen legt Müller seine Überlegungen zum Stand der Demokratie und zu den Gefahren für die Demokratie dar.
So seien auch in Europa, auch in Deutschland Populisten auf dem Vormarsch – in einer Zeit, von Krisen überlagert: Klima, Kriege, schwindendes Sicherheitsgefühl, schwindende wirtschaftliche Stabilität. Die Zufriedenheit der Deutschen mit der Demokratie sinke.
Tendenzen, die gehäuft in einem besonderen Jahr zu beobachten seien: Vor 75 Jahren wurde das Grundgesetz verabschiedet. „Das Grundgesetz, eigentlich als Provisorium angelegt, war ein Glücksfall für unser Land. Dank des Grundgesetzes erlebten wir die besten Jahre, die Deutschland je hatte: 75 Jahre Frieden, 75 Jahre Wohlstand“, sagt Müller.
Mehrere Gründe nannte er dafür: die klaren Regelungen des Grundgesetzes, die Lehren aus der NS-Zeit. Im Mittelpunkt des Grundgesetzes stehe der einzelne Mensch. Jeder Einzelne habe das Recht, sein Leben zu gestalten, jeder Einzelne müsse geschützt werden, jeder Einzelne könne mitbestimmen. Vorrang des Rechts, Bekenntnis zum Sozialstaatsprinzip. Müller: „Das Grundgesetz sorgt für eine tragfähige, eine freiheitliche Ordnung. Auch und gerade jetzt haben wir allen Grund, für das Grundgesetz zu streiten!“
Dabei sei jeder gefragt. Es gelte dabei auch, den Wettlauf der Systeme international anzunehmen: Europa müsse auf eigenen Beinen stehen, könne sich nicht mehr, wie in der Vergangenheit, nur auf die Vereinigten Staaten verlassen. Zudem müsse die Demokratie national wehrhaft gegen Populisten verteidigt werden. Jedoch sehe er Verbote, auch Sprechverbote, kritisch. Dies nähre nur Opfer- und Märtyrerrollen. Vielmehr müssen Populisten argumentativ bekämpft werden. Ja, der Rechtsstaat müsse sich durchsetzen, und doch, so Müller, könne man nicht alles beim Staat abladen – die Gesellschaft solle stärker auf Eigenverantwortung setzen. Sein Appell: „Demokratie braucht Demokraten – wir alle sind dabei gefragt!“
Vor Müllers Vortrag begrüßte der Erste Beigeordnete des Landkreises Sankt Wendel, Dennis Meisberger, der Landrat Udo Recktenwald vertrat. Auch Meisberger sprach die Gefahren an, die die Demokratie bedrohen und appellierte an alle Demokraten, die freiheitlich-demokratische Grundordnung gemeinsam zu verteidigen: „Wir alle müssen uns einsetzen, uns engagieren, diskutieren, dagegenhalten, wenn es darum geht, das zu verteidigen, was wir als unumstößlich betrachten und was der zentrale Satz unseres Grundgesetzes ist: Die Würde des Menschen ist unantastbar.“